Rallye

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    • Der Erfolg frisst auch die schönsten Kinder
      Das Rally Monte Carlo wurde vor 100 Jahren als Touristenattraktion erfunden

      Fürst Albert I. von Monaco (1848–1922) war vor allem als Ozeanforscher berühmt. Doch er soll die Idee gehabt haben, im Winter 1911 eine automobile Sternfahrt aus den Städten Genf, Paris, Boulogne-sur-Mer, Berlin, Wien und Brüssel nach Monte Carlo zu veranstalten. Hinter den fürstlichen Überlegungen stand weniger der sportliche Gedanke – es ging ganz einfach darum, mehr Touristen ins Fürstentum zu locken.

      Dass die 23 Fahrzeuge und ihre Besatzungen, die 1911 am ersten Rally Monte Carlo teilnahmen, die Bekanntheit von Monaco als Reiseziel merklich steigern konnten, darf bezweifelt werden. Einen Sieger kannte diese erste Sternfahrt aber mit Sicherheit: Es war Henri Louis Rougier auf einem Turcat-Méry, einer Automarke aus Marseille, die nur zwischen 1898 und 1928 Bestand hatte. Am Start war auch ein Schweizer gestanden, der Genfer Mironneau, der auf seinem Berliet die Sonderwertung für den besten Zustand des Fahrzeugs gewann. 1912 fand das Rally nochmals statt, dann war bis 1923 Pause, und 1925 übernahm der Automobile Club de Monaco, seit 1929 auch Veranstalter des Grand Prix de Monaco, das Zepter.

      Das machte das Rally Monte Carlo aber noch nicht zu einer motorsportlichen Veranstaltung. 1925 gewann der Franzose Repusseau das Rennen mit einem Renault-Bus, in dem er sieben Passagiere spazieren fuhr. Siegreich war er allein deswegen, weil neben Kriterien wie zurückgelegte Distanz und Einhaltung einer minimalen Durchschnittsgeschwindigkeit auch die Eleganz, der Zustand und das Gewicht des Wagens sowie die Anzahl der Insassen für die Wertung zählten. Es dauerte aber bis in die 1960er Jahre, bis die Strafpunkte für Blechschäden am Auto abgeschafft wurden. 1931 wurden immerhin erste zaghafte Versuche eingeführt, den Anlass mit Beschleunigungs- und Bremsprüfungen am Hafenbecken etwas sportiver zu gestalten. Und trotzdem: Noch im Jahre 1950 erhielt eine Schweizer Equipe einen Spezialpreis, weil an Bord des «Rennwagens» eine Kaffeemaschine installiert war.

      1953 führte die FIA (Fédération Internationale de l'Automobile) eine Europameisterschaft für Rally-Fahrer ein – und an der «Monte», wie das Rally Monte Carlo von den Fans liebevoll genannt wird, wurde die erste Sonderprüfung auf abgesperrter Strecke durchgeführt. 1955 kam der legendäre Col du Turini dazu, 1959 ein weiterer Klassiker des Motorsports: die 44 Kilometer lange Sonderprüfung Chartreuse. Im gleichen Jahr fand die Schlussetappe erstmals in der Nacht mitten durch die französischen Seealpen statt, sie wurde von den Journalisten «die Nacht der langen Messer» genannt. Doch das bedeutete nicht, dass die schnellsten Fahrer und Autos das Rally Monte Carlo gewinnen konnten. Nachdem Mercedes 1960 einen dreifachen Triumph gefeiert hatte, wurde eine Handicap-Formel entwickelt, die hubraumschwächere Fahrzeuge bevorteilte. Und wenn auch das nichts nützte, um französische Fahrer oder Autos an die Spitze des Klassements zu bringen, dann griffen die Monegassen zu noch drastischeren Mitteln: 1966 wurden die in den ersten drei Rängen klassierten Mini Cooper sowie der viertplacierte Ford Cortina Lotus wegen einer Lappalie disqualifiziert. Als Sieger fuhr Toivonen auf einer Citroën DS ins Ziel.

      Zwar blieb die «Monte» bis Mitte der 1990er Jahre eine Sternfahrt, doch ab 1968 zählte nur noch der Speed auf den Sonderprüfungen für den Sieg. Es folgten die besten Jahre des Rally Monte Carlo und des Rally-Sports: Die grossen Automobilhersteller engagierten sich, mit dem Lancia Stratos wurde 1975 erstmals ein Fahrzeug eingesetzt, das speziell für diesen Sport entwickelt worden war. Die «Monte» war während Jahrzehnten die wichtigste Prüfung des Jahres, auch deshalb, weil sie hohe Anforderungen an Fahrer und Material stellte. Nur wer sowohl auf Asphalt als auch auf Schnee und Eis schnell war, konnte sich Siegeschancen ausrechnen. Vorausgesetzt, er traf die richtige Reifenwahl und wurde nicht Opfer der Zuschauer, die mitten auf sonst trockene Streckenabschnitte Schnee schaufelten oder gar die Strasse vereisten.

      All das macht den Mythos des Rennens aus. Es galt immer als eines der schwierigsten Rallys, die ständig wechselnden Bedingungen von Wetter und Strasse machten es unberechenbar: Sonnenschein in Monte Carlo, Schneestürme auf dem Turini, dichter Nebel auf der Chartreuse. Die Anforderungen an Mensch und Motor waren hoch. Hinzu kamen die Zuschauer, die zu Tausenden während der Nacht der langen Messer an der Strecke ausharrten, und irgendwo im Niemandsland der Seealpen gab es wahre Volksfeste.

      Als König des Rally Monte Carlo gilt noch immer der deutsche Ausnahmekönner Walter Röhrl. Er gewann zwischen 1980 und 1984 vier Mal, stets für eine andere Marke (Fiat, Opel, Lancia, Audi). Zwar konnte auch Tommi Mäkinen vier Erfolge verbuchen (und das erst noch in Folge, 1999 bis 2002), und der in der Schweiz lebende Franzose Sébastien Loeb kommt unterdessen auf fünf Siege. Doch Röhrl erreichte aussergewöhnliche Siege, etwa 1982, als er mit einem technisch unterlegenen Opel Ascona die Audi-Allradfahrzeuge einteilte. Und wie sagte Röhrl doch einst so schön: «Man kann ein Auto nicht wie ein menschliches Wesen behandeln – ein Auto braucht Liebe.»

      Röhrl erlebte auch den Anfang der Eskalation des Rally-Sports mit den Fahrzeugen der Gruppe B. 1982 erlaubte die FIA besondere Sportgeräte, von denen nur 200 strassentaugliche Exemplare gebaut werden mussten. So machte etwa Peugeot aus dem profanen 205 mit Frontmotor ein 500-PS-Gefährt mit Mittelmotor. Zwar kam es am Rally Monte Carlo nie zu folgenschweren Unfällen mit diesen Fahrzeugen, doch die Audi quattro, Lancia Delta und Peugeot 205 Turbo waren eigentlich zu schnell und zu gefährlich. Der Sieger des Rennens von 1986, der Finne Henri Toivonen, verstarb im gleichen Jahr bei einem Unfall am Korsika-Rally, kurz darauf wurden die Gruppe-B-Fahrzeuge von der Strasse verbannt. Das war so etwas wie der Anfang vom Ende des Rally-Sports; seit Mitte der 1980er Jahre büsst auch die «Monte» ständig an Attraktivität ein.

      Die Schweizer Rally-Fahrer zerrissen nie grosse Stricke am legendären Anlass. Carlo Bornand hatte 1950 einen Podestplatz auf sicher, doch auf den letzten Kilometern steuerte er seinen Alfa 1900 TI noch in eine Strassenbegrenzung. Die besten Placierungen erreichte Olivier Burri in den Jahren 1993 und 1997, als er jeweils auf den siebenten Platz kam – einmal mit Ford, einmal mit Subaru. 2009 wurde Burri noch einmal 7., doch damals zählte das Rennen nur zur Intercontinental Rally Challenge.

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      Als die FIA 2008 ankündigte, auch die traditionellen Rally-Läufe wie in Monte Carlo nur noch im Zweijahresrhythmus für die Rally-WM zu berücksichtigen, beschloss der lokale Organisator, freiwillig auf den WM-Status zu verzichten – und schloss sich der weniger prestigeträchtigen IRC-Serie (Intercontinental Rally Challenge) an. Obwohl sich die FIA für das Jubiläumsjahr 2011 heftig um das Rally Monte Carlo bemühte, blieb der Veranstalter der IRC treu, was ein weiterer Tiefpunkt für den Rally-Sport ist.

      Für die Monegassen hat der IRC-Status zwar auch Nachteile, es fehlen die meisten Top-Fahrer wie etwa Sébastien Loeb, doch dafür dürfen Sonderprüfungen in der Nacht durchgeführt werden (was bei WM-Läufen verboten ist). Das wiederum erhöht die Attraktivität für die Zuschauer, fürs Fernsehen – und damit auch für die Sponsoren. 305 Teams hatten sich für das Jubiläums-Rally angemeldet, 120 konnten berücksichtigt werden. Sie fahren seit dem Mittwoch wieder um die Wette – auf dass der Mythos weiterlebe.


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      nzz.ch/nachrichten/sport/aktue…ten_kinder_1.9155941.html

      Schaut jemand?