Roman Schirokow: Ein Rüpel als Herzstück Russlands

Roman Schirokow wurde erst mit Mitte 20 Fussball-Profi, weil sein Leben bis dahin eine einzige Party war. Dass er heute das Herzstück der russischen Nationalmannschaft bildet, grenzt an ein Wunder.

Es war im schönen russischen Sommer 2001, als sich Roman Schirokow entschloss, mit ein paar Kollegen eine Grill-Party zu veranstalten. Bei seinem damaligen Verein Torpedo Moskau tauchte er danach 2 Monate lang nicht mehr auf.

Selbst Gips angelegt

Schirokow wusste, dass dies Ärger geben würde. Also legte er sich selbst einen Gips an, humpelte ins Vereinszentrum und erzählte seinen Vorgesetzten von der dummen Sache mit dem Beinbruch. Selbstverständlich flog der Schwindel auf. Schirokows Charakter schwierig zu nennen, ist eine höfliche Untertreibung. Viele, die ihn besser kennen, halten ihn für einen Rüpel.

Herzstück von Russland

Schirokow ist einer, der immer sagt, was er denkt. Und das über alle Schmerzgrenzen hinaus. Dass der 30-Jährige dennoch das Herzstück der russischen Nationalmannschaft bildet, ist umso verwunderlicher. «Er ist ein wichtiger Spieler für uns», sagte Nationaltrainer Dick Advocaat nach dem 4:1-Auftaktsieg gegen Tschechien, zu dem Schirokow ein Tor beigesteuert hatte.

Advocaat kennt seinen Problemkind, er hat ihn schon 2008 bei Zenit St. Petersburg betreut, ihn gefördert und - doch auch falsch gelegen. «Eines Tages könnte Schirokow der beste Abwehrspieler des Landes sein», hatte der niederländische Coach gesagt und ihn in der Innenverteidigung eingesetzt. Schirokows Antwort zeigt wunderbar sein Wesen. Statt geschmeichelt zu sein, sagte er: «Abwehrspieler? Ich will der beste Mittelfeldspieler Russlands sein!»

Langer weg zum Top-Spieler

Er schaffte es tatsächlich, aber es war ein weiter Weg. Nach der Nummer mit dem vorgetäuschten Beinbruch holte ZSKA Moskau seinen Leihspieler von Torpedo zurück und versuchte es auf die harte Tour. Schirokow musste Gräben ausheben und Wände in den Klubfarben streichen. Der Rebell spurte nicht, sondern trank und zockte nächtelang. Seine heutige Frau Katya, damals eine Partybekannschaft, brachte ihn zur Räson. Sie überredete ihn, es doch wieder ernsthaft mit dem Fussball zu versuchen.

Er kam bei FK Istra in der 3. Liga unter, startete er durch und weckte wieder Interesse bei den grossen Klubs. Das vergessene Talent tauchte wieder aus der Versenkung auf. Rubin Kasan verpflichtete den 1,87 Meter grossen und mit einer überragenden Spielübersicht ausgestatteten Schirokow. Aber er es gab weiter Ärger.

Rausflug bei Kasan

Den damaligen Trainer Gurban Berdijew, der in Kasan verehrt wurde und unantastbar war, nannte er einen «gierigen Bastard», der nur einen Gott anbete: «Mr. Franklin vom 100-Dollar-Schein». Natürlich flog er raus. Er kam beim FC Schimki unter und spielte mit 26 Jahren erstmals mehr oder weniger regelmässig in der höchsten russischen Liga. Spätestens ein spektakuläres Tor gegen Zenit St. Petersburg brachte ihn auf den Zettel des damaligen Zenit-Trainers Advocaat, der ihn im Januar 2008 ablösefrei holte.

Es ist seine 12. Station seit 2001. Heute ist Schirokow etwa 5 Millionen Euro wert, und er würde es gerne noch einmal bei einem ganz grossen Klub unter kommen: «Am liebsten in England, oder Spanien und Italien.» Advocaat sagt, man müsse ihn nicht immer so ganz ernst nehmen, aber klar ist: Bei Schirokow ist nichts unmöglich. SF